ÄRZTELATEIN
Martial (40 bis 102 n Chr.) war ein aggressiver, bissiger, kritischer, manchmal fast obszöner Dichter von treffsicheren, frechen Epigrammen. So kam auch der Beruf des Arztes nicht ungeschoren davon.
Geniessen Sie eine kleine Kostprobe aus seinem Werk von Fritz Grasshoff mit hintergründigem Humor für Zeitgenossen ins Deutsche und Heutige gerückt.
Nuper erat medicus, nunc est vispillo Diaulus:
Quod vispillo facit, fecerat et medicus. (Martial I. XLVII)
DR.RER.MORT.
Erst war er Arzt, ein leider nervenschwacher:
Als solcher ein bekannter Leichenmacher.
Jetzt ist er, der gelernte Jenseitswegbereiter,
Pietätsabteilungsleiter.
Leniat ut fauces medicus, quas aspera vexat
Adsidue tussis, Parthenopae, tibi,
mella dari nucleosque iubet dulcesque placentas
et quidquid pueros non sinit esse truces.
At tu non cessas totis tussíre diebus.
Non est haec tussis, Parthenopae, gula est.
(Martial XL LXXXVI)
Zum Doktor hat es dich getrieben, weil dich ein böser Husten quält.
Er hat dir Kandis, Honig und Lakritzensaft verschrieben
und Lollis und Bonbons, was alle Kinder lieben,
(denen aber gar nichts fehlt).
Du stopfst dir all das viele Süße tagtäglich in den Wanst.
Daher scheint der Verdacht mir nahzuliegen:
Das Husten macht dir jetzt Vergnügen, weil du nun dauernd lutschen kannst.
(Gib acht! Dass dir der Zuckerhut nicht birst,
und du infolgedessen kindisch wirst!)
Languebam: sed tu comitatus protinus ad me
Venisti centum, Symmache, discupulis.
Centum me tetigere manus aquilone gelatae:
Non habui febrem, Symmache, nunc habeo.
(Martial V.IX)
Winter war`s. Ich lag im Hospital.
Die weißen Riesen kamen in den Saal, die ganze medizinische Stafette
trat an mein Bette, und alle begriffelten mit ihren kalten Kellen
die Epidermis, (auch an den intimsten Stellen).
War ich bis dahin fieberfrei, bekam ich`s erst!
Durch ihre Grapscherei.
Lateinisches Deutsch oder deutsches Latein
Latein stand Pate für viele „Fremd“wörter, die wir heute ganz selbstverständlich gebrauchen.
Hinter Simulant, Simulation, Simulator oder simulieren steht das lateinische simulare
(vortäuschen, nachahmen, vorgeben, ähnlich machen), hinter simulare steht das lateinische Adjektiv similis (ähnlich), das wiederum für unser similär und die Similiarität verantwortlich ist.
Gesund wiederum ist das Grundwort, das in dem so bekannten Spruch „mens sana in corpore sano“ gleich zweimal vorkommt, für unser sanieren, die Sanierung, sanitär, Sanitäter und das Sanatorium.
Übrigens ganz richtig zitiert und daher mit einem etwas anders belegtem Sinn lautet dieses geläufige Sprichwort nach Seneca: Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano.
Man muss bitten, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper sei.
Und wenn sie das Sprichwort ganz richtig, also optimal, zitieren wollen, dann lesen sie es als Hexameter und betonen die fettgedruckten Silben:
Orandum (e)st, ut sit mens sana in corpore sano.
Was hat übrigens das Passiv mit dem Patient zu tun? Richtig, beide kommen aus dem Lateinischen und noch dazu vom gleichen Grundwort pati (erleiden, erdulden).
Erdulden Sie also bitte mit Patience noch folgende Aufzählung:
Passion, Passionato, passionieren, passioniert, Passionsspiel, passiv, Passiva, Passivität ,Patience, Patient.
Sollten Sie Lust auf alltägliches Ärztelatein haben, dann sei Ihnen Michael Dirk Prangs Buch “Ärztelatein im Klartext” wärmstens empfohlen. Genießen Sie folgende Kostproben und enttarnen Sie den Fachjargon:
Externes Pigment: Dreck auf der Haut
BAK: kurz für Blutalkohol-Konzentration
Klimakterisch akzentuierte negative Vitalitätsschwankung: heulende, nervende Ziege in den Wechseljahren
OS: Oral-Sau (mangelnde Mundhygiene)
Etc. was so viel heißt, wie et cetera, was wiederum Latein ist und und so weiter bedeutet...